Genetische Forschung enthüllt: Hauskatzen kamen deutlich später nach Europa als bislang angenommen
Bearbeitet von: Katerina S.
Eine umfassende genetische Studie krempelt die gängige Vorstellung über die Ankunft der Hauskatze auf dem europäischen Kontinent grundlegend um. Die Forscher Ottini und De Martino präsentierten in der Fachzeitschrift Science neue Erkenntnisse: Diese Tiere etablierten sich erst vor rund 2000 Jahren in Europa. Dies bedeutet eine zeitliche Verschiebung um Jahrtausende gegenüber früheren Schätzungen. Diese Neubewertung lenkt den Fokus weg von den frühen neolithischen Wanderbewegungen hin zu späteren historischen Epochen, die eng mit dem Aufschwung des Mittelmeerhandels verknüpft sind.
Lange Zeit galt die Hypothese, dass Katzen den ersten Bauern aus Anatolien vor etwa 6000 bis 7000 Jahren gefolgt seien. Diese ältere Annahme wurde jedoch durch die Analyse vollständiger Kern-Genome widerlegt. Wissenschaftler, darunter der Archäologieprofessor Greger Larson von der Universität Oxford, weisen darauf hin, dass frühere Schlussfolgerungen oft auf der Untersuchung mitochondrialer DNA basierten. Da diese nur über die weibliche Linie vererbt wird, konnte sie ein verzerrtes Bild der Verbreitung liefern. Die aktuellen genetischen Daten deuten nun eindeutig auf einen nordafrikanischen Ursprung der Vorfahren der modernen Hauskatzen hin und nicht primär auf die Levante, wie in einigen älteren Theorien vermutet wurde.
Die Forschergruppe untersuchte insgesamt 225 Katzenüberreste aus 97 archäologischen Fundstätten in ganz Europa und dem Nahen Osten. Darüber hinaus erstellten sie 70 antike Genome zum direkten Vergleich mit der DNA heutiger Exemplare. Es zeigte sich, dass die frühesten Genome, die mit modernen Hauskatzen übereinstimmen, in Europa während der Blütezeit des Römischen Reiches auftauchen. Dies korreliert zeitlich perfekt mit der intensiven maritimen Handelsaktivität jener Zeit. Daraus lässt sich ableiten, dass römische Seefahrer und Kaufleute, die beispielsweise ägyptisches Getreide transportierten, die Ausbreitung dieser Tiere in die kontinentalen Häfen förderten. Die Katzen dienten dort als effektive Schädlingsbekämpfer auf Schiffen und in Lagerhäusern.
Die Unterscheidung zwischen wilden und domestizierten Vertretern der Gattung Felis war lange Zeit schwierig, da sich ihre Skelette morphologisch kaum voneinander unterscheiden lassen. Frühere Funde, die man Hauskatzen zuordnete – wie etwa ein Skelett auf Zypern mit einem Alter von etwa 9500 Jahren – werden heute wahrscheinlich eher Waldkatzen (Felis silvestris) zugeschrieben. Diese hatten sich mit dem afrikanischen Steppenkater (F. lybica lybica) vermischt. Die Analyse ergab, dass in den neolithischen Wildkatzen aus Kleinasien bis zu 24 bis 34 Prozent Beimischungen von F. catus oder deren direkten Vorfahren vorhanden waren. Dies belegt eine Vermischung, die stattfand, bevor die massenhafte Einführung domestizierter Exemplare erfolgte.
Die eigentliche Expansion der für moderne Katzen charakteristischen Gene lässt sich in den europäischen Proben erst ab dem 1. Jahrhundert nach Christus nachweisen. Die Domestikationsgeschichte begann vermutlich in Nordafrika, oft als das „Ägyptische Phänomen“ bezeichnet, wo vor etwa 3500 bis 4000 Jahren ein entscheidender Schritt in der Zähmung stattfand. Im Gegensatz zu Pferden konzentrierte sich bei Katzen die Selektion über lange Zeiträume hinweg fast ausschließlich auf Verhaltensmerkmale. Die Forschungsgruppe des Projekts Felix unter der Leitung von Claudio Ottoni plant, ihre Untersuchungen fortzusetzen. Der Fokus soll dabei auf Italien, Griechenland und der Türkei liegen, um die Migrationsrouten detaillierter nachzeichnen zu können.
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Quellen
Telepolis
Archaeology Magazine
American Association for the Advancement of Science (AAAS)
The Times of India
ZME Science
New Scientist
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