Sprachentstehung: Biokulturelle Konvergenz ersetzt Modell des Einzelsprungs

Bearbeitet von: Vera Mo

Eine internationale Expertengruppe hat ein vereinheitlichtes Rahmenwerk zur Entstehung der menschlichen Sprache vorgestellt, das die traditionelle Vorstellung eines einzigen evolutionären Sprungs verwirft. Diese zeitgenössische Sichtweise favorisiert eine biokulturelle Perspektive, die argumentiert, dass die Sprache aus der Konvergenz zahlreicher biologischer Fähigkeiten und kultureller Prozesse hervorgegangen ist. Die Forschergruppe, zu der Inbal Arnon von der Hebräischen Universität und Simon Fisher vom Max-Planck-Institut gehören, betont, dass die Kombination multidisziplinärer Ansätze neue Erkenntnisse zu langjährigen wissenschaftlichen Fragestellungen liefern kann.

Fisher hob hervor, dass dieser Ansatz eine produktive Untersuchung verschiedener Sprachfacetten entlang des evolutionären Baumes bei nichtmenschlichen Tieren ermöglicht. Die Wissenschaftler betonen die Notwendigkeit einer Integration von Lernen, Kultur und Biologie, da eine Isolation dieser Disziplinen den wissenschaftlichen Fortschritt behindert habe. Das vorgeschlagene Modell wird anhand von drei Fallstudien veranschaulicht, welche die Komplexität des Systems beleuchten: die Fähigkeit zur Modifikation von Vokalisationen („Vocal Production Learning“), die Analyse der „Linguistic Structure“ anhand von Homesign-Systemen und aufkommenden Gebärdensprachen sowie die „Social Underpinnings“, die den menschlichen Drang zum Teilen sozialer Informationen untersuchen.

Dieses integrierte Rahmenwerk betrachtet drei interagierende Zeitskalen: die individuelle Ebene des Spracherwerbs, die gemeinschaftliche Ebene der kulturellen Evolution und die Spezies-Ebene der biologischen Evolution. Die Vorstellung einer biokulturellen Evolution, bei der Biologie und Kultur untrennbar miteinander verwoben sind, gewinnt an Bedeutung und löst ältere, restriktivere Evolutionsmodelle ab. Die Forschung verdeutlicht, dass die Entwicklung der Sprache nicht einem einzigen universellen Regelwerk folgt, sondern von der Vorgeschichte einer Sprache stark beeinflusst wird, was sich in unterschiedlichen Prozessen verschiedener Sprachfamilien zeigt.

Die Fähigkeit zum Spracherwerb bei Säuglingen, wie das Erlernen von Vokalisationsmustern durch soziale Rückmeldungen, zeigt Parallelen zur Entwicklung von Gesängen bei Singvögeln und unterstreicht die soziale Komponente. Säuglinge lernen beispielsweise zwischen dem zweiten und fünften Lebensmonat die soziale Wirksamkeit ihrer nicht-schreienden Vokalisationen durch die Beobachtung positiver Reaktionen von Bezugspersonen. Diese soziale Rückkopplungsschleife, bei der das Gebrabbel des Säuglings die Produktion vereinfachter Sprache durch die Betreuungspersonen katalysiert, belegt die Verflechtung von Lernen und sozialem Kontext. Die Forschung zeigt, dass die lexikalische Diversität der elterlichen Sprache, die auf das Gebrabbel reagiert, die stimmliche Reife der Säuglinge vorhersagt.

Die Abkehr von der Vorstellung eines einzelnen evolutionären Ursprungs spiegelt einen breiteren wissenschaftlichen Trend wider, der die Komplexität der menschlichen Sprache anerkennt. Während die biologische Evolution die Grundlagen für die Sprechfähigkeit schuf – etwa durch die Ausbildung des Gehirns und des Sprechapparates –, ist die eigentliche Sprachentwicklung ein integraler Bestandteil der kulturellen Evolution. Die Integration von Erkenntnissen aus der Paläontologie, Neurobiologie, Archäologie und Sprachwissenschaft ist entscheidend, um die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung umfassend zu beantworten. Die Forscher konzentrieren sich darauf, verschiedene Facetten zu identifizieren, die sowohl in der menschlichen als auch in der tierischen Kommunikation untersucht werden können, anstatt nach dem einen unterscheidenden menschlichen Merkmal zu suchen.

Quellen

  • Neuroscience News

  • Neuroscience News

  • ResearchGate

  • OSF

  • Israel Institute for Advanced Studies

  • Blogs@NTU

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