Seltene Rothschild-Haggadah aus dem 15. Jahrhundert, von den Nazis geraubt, kommt nach Restitution bei Sotheby's zur Versteigerung

Bearbeitet von: alya myart

Eines der raren Exemplare mittelalterlicher jüdischer Gebetbücher, der Wiener Rothschild-Haggadah aus dem Jahr 1415, steht kurz vor der Veräußerung bei Sotheby's in New York. Dieses Manuskript, geschaffen vom jüdischen Schreiber Mosche ben Menachem, gilt als ein herausragendes Zeugnis der jüdischen Kunst und Kalligrafie Mitteleuropas dieser Epoche. Das Auktionshaus Sotheby's taxiert den Wert dieser illuminierten Handschrift auf eine Spanne zwischen 5 und 7 Millionen US-Dollar. Angesichts der Tatsache, dass nur drei vergleichbare Stücke in Privatbesitz sind, unterstreicht dies die außergewöhnliche Seltenheit dieses Objekts.

Der kunsthistorische Wert der Haggadah liegt in ihren exquisiten Zierleisten und Initialen, die mit mineralischen und organischen Pigmenten wie Zinnober, Kupfer und Lapislazuli gestaltet wurden. Diese Farben haben ihre Leuchtkraft über mehr als sechs Jahrhunderte hinweg bewahrt. Die Geschichte dieses Artefakts ist untrennbar mit den Ereignissen des 20. Jahrhunderts verbunden. Nach dem „Anschluss“, der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland im Jahr 1938, konfiszierten die Nationalsozialisten den Wiener Palast der Familie Rothschild, während Alphonse und Clarissa Rothschild sich zu dieser Zeit in England aufhielten.

Die Kunstsammlung und Bibliothek der Familie wurden beschlagnahmt. Im Gegensatz zu vielen anderen Objekten wurde diese Haggadah jedoch ohne ordnungsgemäße Dokumentation der Enteignung an die Österreichische Nationalbibliothek übergeben. Dies verschleierte ihre wahre Herkunft über Jahrzehnte hinweg. Ursprünglich erwarb Salomon Mayer von Rothschild die Haggadah bereits im Jahr 1842 in Nürnberg als Geschenk für seinen Sohn Anselm Salomon. Sie verblieb über Generationen hinweg im Besitz des Wiener Zweiges der Familie.

Die Rückgabe des Artefakts wurde erst durch die akribische Arbeit von Forschern ermöglicht, die es schafften, die authentische Provenienz der Handschrift zweifelsfrei nachzuweisen. Die Identifizierung gelang durch den Abgleich des Rothschild-Wappens mit den ursprünglichen hebräischen Widmungstexten, die bei der Anschaffung des Buches durch die Familie hinzugefügt worden waren. Im Juni 2023 empfahl der Kunstrückgabebeirat Österreich den Erben der Rothschilds die Restitution der Haggadah.

Die Familie Rothschild betonte, dass die Rückgabe zwar historische Ungerechtigkeiten nicht ungeschehen machen könne, jedoch eine tiefgreifende Bedeutung besitze. Sie diene als Anerkennung der Geschichte und bringe ein gewisses Maß an Abschluss für den Schmerz, der sich über Generationen hinweg fortpflanze. Experten, darunter Sharon Liberman Mintz, Senior International Specialist für Judaica bei Sotheby's, heben hervor, dass die Wiener Rothschild-Haggadah nicht nur ein bedeutendes Werk mittelalterlicher jüdischer Kunst und Wissenschaft darstellt, sondern auch ein starkes Symbol für historische Widerstandsfähigkeit ist. Ihr sechs Jahrhunderte umfassender Weg spiegelt die breitere Geschichte jüdischer Lebenskraft wider.

Die in Wien entstandene Handschrift enthält Randnotizen, die von ihren Wanderungen zwischen Gemeinden zeugen, welche das Buch an ihre aschkenasischen liturgischen Gepflogenheiten anpassten. Besonders aufschlussreich ist ein Vermerk, der einen Brauch in Wien im 14. Jahrhundert beschreibt, bei der Lesung des Piyyut „Melech Elyon“ den Toraschrein zu öffnen. Dies war ein wichtiger Anhaltspunkt zur Bestimmung des Entstehungsortes der Haggadah. Diese Auktion stellt ein wichtiges Ereignis in der Welt des Sammelns und der Restitution von Kulturgütern dar.

Im Kontext der mittelalterlichen illuminierten jüdischen Gebetbücher sind nur etwa zwanzig Exemplare bis heute erhalten geblieben, weshalb deren Erscheinen auf dem Markt eine absolute Rarität ist. Als Vergleich: Eine andere berühmte Ausgabe, die Luzerner Hochfest-Haggadah, wurde 2021 ebenfalls bei Sotheby's für 8,3 Millionen US-Dollar verkauft. Die Versteigerung der Wiener Rothschild-Haggadah im Februar 2025 wird zweifellos die Aufmerksamkeit von Sammlern auf sich ziehen, die sowohl am Erhalt einzigartiger Artefakte als auch an der Anerkennung ihrer komplexen historischen Odyssee interessiert sind.

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Quellen

  • The Jewish News

  • Jewish News

  • Sotheby's

  • Provenienzforschung

  • Center for Jewish Art

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