Neufassung der EU-Richtlinie zur Unternehmensverantwortung: Der Spagat zwischen Wettbewerbsfähigkeit und regulatorischer Last
Bearbeitet von: Татьяна Гуринович
Die Überarbeitung der Gesetzgebung der Europäischen Union zur sozialen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) befindet sich in einer aktiven Phase. Diese Gesetzgebung ist als Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) bekannt und trat ursprünglich am 25. Juli 2024 in Kraft. Ursprünglich sah dieser Rechtsakt vor, dass Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro verpflichtet sind, Maßnahmen zur Verhinderung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltschäden in ihren globalen Lieferketten zu ergreifen. Derzeit prüft das Europäische Parlament potenzielle Änderungen mit dem Ziel, bis Ende 2025 einen Konsens zu erzielen.
Dieser Prozess verdeutlicht das komplexe Dilemma, vor dem Brüssel steht: Wie lassen sich die regulatorischen Ambitionen aufrechterhalten und gleichzeitig der Verwaltungsaufwand für europäische Unternehmen reduzieren? Dies geschieht vor dem Hintergrund verschärfter Konkurrenz durch China und der Einführung von Zöllen durch die Vereinigten Staaten. Die vorgeschlagenen Modifikationen zielen darauf ab, die regulatorische Belastung zu mildern. Dies ist eine Reaktion auf das Lobbying großer Akteure und Bedenken hinsichtlich einer Minderung der Wettbewerbsfähigkeit.
Zu den zentralen diskutierten Änderungen gehört die Anhebung der Schwellenwerte für Unternehmen, die unter das Gesetz fallen. Diese sollen auf über 5000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. Darüber hinaus wird die Möglichkeit erörtert, die auf EU-Ebene harmonisierte zivilrechtliche Haftungsregelung vollständig abzuschaffen. Dies würde bedeuten, dass die Zuständigkeit für entsprechende Fragen an die nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten übertragen würde.
Umweltaktivisten und Fachorganisationen äußern ernste Bedenken. Sie befürchten, dass diese Anpassungen dem Gesetz seinen Kern nehmen und somit die bisher erzielten Fortschritte beim Schutz von Menschenrechten und der Umwelt gefährden könnten. Im Gegensatz dazu haben große Konzerne, wie beispielsweise ExxonMobil, ihre Besorgnis über die potenziellen Auswirkungen der Richtlinie auf ihre europäischen Geschäfte zum Ausdruck gebracht.
Darren Woods, der CEO von ExxonMobil, warnte davor, dass das Unternehmen gezwungen sein könnte, seine Aktivitäten in der Region einzustellen, falls das Gesetz nicht erheblich abgeschwächt wird. Er verwies darauf, dass bereits Betriebsstätten aufgrund übermäßigen bürokratischen Drucks geschlossen oder verlassen wurden. Es ist festzuhalten, dass ExxonMobil seit fast 140 Jahren in Europa präsent ist.
Der Kontext dieser Überarbeitungen ist eng mit geopolitischem und wirtschaftlichem Druck verbunden. Saad Al-Kaabi, der Energieminister von Katar, erklärte, sein Land könnte die Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) nach Europa einstellen, falls Brüssel die Vorschriften nicht überdenkt. Er begründete dies damit, dass potenzielle Geldstrafen von bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes bei Nichteinhaltung der Pläne zum Übergang zur Klimaneutralität inakzeptable Risiken für QatarEnergy darstellen. Katar, das seit 2022 zwischen 12 % und 14 % des europäischen Gases liefert, unterhält langfristige Verträge mit Shell, TotalEnergies und ENI.
Die Diskussion berührt fundamentale Fragen zur zukünftigen regulatorischen Ausrichtung der EU im Bereich der Unternehmensverantwortung. Es stellt sich die Frage, ob der neue Kompromiss das notwendige Schutzniveau gewährleisten kann, während gleichzeitig die Beschränkungen für die Wirtschaft gelockert werden. Angesichts der Tatsache, dass im Rahmen der CSDDD bereits ein Konsens über die Schwellenwerte von 5000 Mitarbeitern und 1,5 Milliarden Euro Umsatz sowie über die Beseitigung der harmonisierten zivilrechtlichen Haftungsregelung erzielt wurde, wird der endgültige Gesetzestext das regulatorische Umfeld für die Unternehmensverantwortung und die globale Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden Jahren maßgeblich bestimmen.
Quellen
BFMTV
Conseil de l'UE : Accord sur la simplification des exigences de reporting et de diligence raisonnable en matière de durabilité
Le Parlement européen envisage des modifications de la loi sur la diligence raisonnable après des pressions des États-Unis et du Qatar
Le PDG d'ExxonMobil avertit que la loi européenne sur la durabilité pourrait mettre fin aux opérations en Europe
Le ministre de l'Énergie du Qatar avertit que la loi européenne pourrait dissuader les affaires en Europe
Abandonner la directive sur la diligence raisonnable en matière de durabilité des entreprises serait une erreur historique pour l'Europe
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