Die Europäische Union verfolgt eine zweigleisige Strategie: Sie baut ihre Handelsbeziehungen mit Lateinamerika aus und setzt sich gleichzeitig mit den USA über digitale Regulierungsfragen auseinander. Diese Ausrichtung spiegelt eine breitere geopolitische und wirtschaftliche Neuausrichtung wider, die auf die Diversifizierung von Partnerschaften und die Wahrung der eigenen regulatorischen Souveränität abzielt.
Ein bedeutender Schritt in der Handelsbeziehung mit Lateinamerika ist die im April 2025 abgeschlossene historische Vereinbarung mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Diese umfassende Freihandelszone, die über 700 Millionen Menschen umfasst und etwa 20 % des globalen BIP repräsentiert, zielt darauf ab, Zölle abzubauen und den Marktzugang für europäische Güter zu verbessern. Experten schätzen, dass diese Vereinbarung europäische Unternehmen jährlich rund 4,5 Milliarden Euro an Zöllen einsparen wird. Das Abkommen wird auch als strategischer Schachzug gesehen, um die Abhängigkeit von China zu verringern und kritische Rohstoffe für die grüne Transformation zu sichern. Allerdings gibt es in einigen EU-Mitgliedstaaten Widerstand, insbesondere aus der Landwirtschaft, die Wettbewerbsnachteile durch günstigere südamerikanische Importe befürchtet.
Parallel dazu hat die EU im Mai 2025 ihre Handelsvereinbarung mit Mexiko modernisiert. Diese überarbeitete Partnerschaft vertieft die wirtschaftliche Integration durch neue Bestimmungen für den digitalen Handel, die Industrie und die Landwirtschaft. Der Handel zwischen der EU und Mexiko erreichte 2023 Waren im Wert von 82 Milliarden Euro, was die Bedeutung dieser Beziehung unterstreicht. Mit diesen Abkommen beschleunigt die EU ihre Integration in Lateinamerika, auch als Reaktion auf protektionistische Tendenzen und Unsicherheiten, die mit einer möglichen zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump verbunden sind.
Auf der anderen Seite steht die EU vor der Herausforderung, ihre wegweisenden Gesetze zum digitalen Markt (Digital Markets Act – DMA) und zu digitalen Diensten (Digital Services Act – DSA) durchzusetzen. Diese Regelungen sollen die Marktmacht von „Big Tech“-Unternehmen eindämmen und für faire Wettbewerbsbedingungen sowie mehr Sicherheit im Internet sorgen. Die Vereinigten Staaten haben Bedenken geäußert, wobei Präsident Trump mit Vergeltungsmaßnahmen wie Zöllen und Exportbeschränkungen für Technologieprodukte droht, sollte die EU ihre digitalen Regulierungen nicht lockern. Laut Studien könnten diese EU-Regulierungen US-Unternehmen jährlich bis zu 97,6 Milliarden US-Dollar kosten, wobei die reinen Compliance-Kosten auf rund 2,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt werden.
Die Europäische Vizepräsidentin der Kommission, Teresa Ribera, hat die EU eindringlich aufgefordert, dem Druck der USA standzuhalten und die eigenen Werte und die regulatorische Autonomie zu verteidigen. Sie betonte, dass die EU sich nicht den Interessen anderer unterordnen dürfe und die digitalen Gesetze nicht zur Disposition stünden. Diese Haltung unterstreicht das Bestreben der EU, ihre digitale Souveränität zu wahren und gleichzeitig ihre wirtschaftlichen Beziehungen weltweit zu diversifizieren. Die EU sieht ihre digitalen Gesetze als notwendige Maßnahmen zum Schutz der Bürgerrechte und zur Gewährleistung eines fairen digitalen Umfelds, nicht als Diskriminierung amerikanischer Unternehmen.
Die EU-Mercosur-Vereinbarung könnte bis Ende 2025 ratifiziert werden, obwohl einige EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Landwirtschaft äußern. Die EU hat jedoch Zugeständnisse gemacht, um Frankreich entgegenzukommen, indem sie die Schutzbestimmungen für sensible Agrarprodukte stärkt.
Die modernisierte Handelsvereinbarung mit Mexiko, die im Januar 2025 abgeschlossen wurde, zielt darauf ab, die bilateralen Handelsbeziehungen zu vertiefen und die wirtschaftliche Integration zu fördern. Der Handel zwischen der EU und Mexiko belief sich 2023 auf 82 Milliarden Euro.
Die EU verteidigt ihre digitalen Gesetze wie den DMA und DSA gegen den Druck der USA. Vizepräsidentin Teresa Ribera betonte die Notwendigkeit, der amerikanischen Einflussnahme standzuhalten und die eigene regulatorische Souveränität zu wahren. Die EU hat die Durchsetzung dieser Gesetze als nicht verhandelbar erklärt, auch wenn dies zu Spannungen im Handelsverhältnis mit den USA führen könnte.