Die laufenden Ausgrabungen am Fundplatz Tartas-1 in Sibirien haben Archäologen zu einer bemerkenswerten Entdeckung geführt, die unser Wissen über prähistorische Gemeinschaften in dieser Region signifikant erweitern könnte. Ein Forscherteam der Russischen Akademie der Wissenschaften, geleitet von Akademiker Vyacheslav Molodin, barg kürzlich mehrere flachbödige Keramikgefäße aus dem Boden. Diese Artefakte werden auf das Ende des 4. bis zum Beginn des 3. Jahrtausends vor Christus datiert.
Das Besondere an diesen Tongefäßen ist ihre außergewöhnliche Verzierung. Die Oberfläche der Keramik weist Muster auf, die die Textur von Wollgewebe nachbilden. Die Altertumswissenschaftler gehen davon aus, dass diese Abdrücke entstanden, indem man sorgfältig Stoffstücke auf den feuchten Ton presste, bevor die Gefäße gebrannt wurden.
Diese spezifische Technik der Dekoration ist unter den bekannten sibirischen Keramiktraditionen dieser Epoche einzigartig und stellt ein Novum dar. Sie eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung des Technologieaustauschs und der kulturellen Praktiken während des Übergangs von der Jungsteinzeit (Neolithikum) zur Bronzezeit.
Der Komplex Tartas-1, der bereits im Jahr 2003 entdeckt wurde, gilt als eine der größten archäologischen Stätten in der Region. Er umfasst sowohl alte Siedlungsspuren als auch eine ausgedehnte Nekropole mit über 800 Gräbern. Die kulturellen Schichten des Fundortes erstrecken sich über einen langen Zeitraum, beginnend im Neolithikum bis hin zur frühen Eisenzeit.
Die jüngsten Funde legen den Schluss nahe, dass die Bevölkerung des Komplexes sesshaft lebte und sich sowohl der Keramikherstellung widmete als auch möglicherweise dem handwerklichen Weben. Die einzigartige Ornamentik der Gefäße scheint ein direkter Beleg für diese Aktivitäten zu sein.
Besonders hervorzuheben ist ein Gefäß, dessen Muster an ein Schachbrett erinnert. Diese schachbrettartige Verzierung ist an anderen Fundplätzen der Region nicht bekannt. Sie könnte auf eine bisher unbekannte kulturelle Tradition hindeuten oder spezielle Kontakte zwischen den lokalen Gemeinschaften und benachbarten Regionen belegen.
Die Archäologen stellten zudem fest, dass ein kürzlich freigelegtes großes Wohnhaus sorgfältig errichtet wurde, was auf eine stabile und lang anhaltende Besiedlung schließen lässt. Der Standort Tartas-1 liegt strategisch günstig an den Kreuzungspunkten kultureller Routen zwischen dem Ural, dem Altai und Zentralasien, was seine Bedeutung als wichtiges Bindeglied für die Erforschung der Verbindungen antiker eurasischer Populationen unterstreicht.
Um die Herkunft dieser Artefakte genauer bestimmen zu können, sind umfassende Analysen geplant. Dazu gehören die Radiokarbondatierung, DNA-Untersuchungen sowie chemische Analysen der organischen Rückstände. Diese wissenschaftlichen Methoden sollen Aufschluss darüber geben, ob diese neue Kultur genetische oder kulturelle Verbindungen zu anderen bronzezeitlichen Gruppen hatte und wie fortschrittlich die Herstellung von Keramik und Textilien in dieser Gegend tatsächlich war.
Die Entdeckung in Tartas-1 beweist eindrücklich, dass selbst gut erforschte Gebiete Sibiriens noch viele Überraschungen bereithalten. Jeder neue Fund trägt dazu bei, unser Verständnis der frühen menschlichen Gesellschaften und ihrer Interaktionen auf dem eurasischen Kontinent neu zu bewerten und zu vertiefen.
