Eine internationale Forschergruppe hat einen bedeutenden Durchbruch in der Radioastronomie erzielt. Mithilfe der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) gelang es ihnen, das schärfste Funkbild einer Gravitationslinse aufzunehmen, das jemals erstellt wurde. Diese hochentwickelte Methode, bei der Radioteleskope über kontinentale Entfernungen hinweg miteinander verbunden werden, ermöglichte nicht nur die detaillierte Erfassung der Lichtverzerrung. Vielmehr nutzten die Wissenschaftler den Gravitationslinseneffekt, um ein Objekt von minimaler Masse in kosmologischen Distanzen aufzuspüren. Die Ergebnisse dieser wegweisenden Forschung wurden in renommierten Fachzeitschriften wie den „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ und „Nature Astronomy“ veröffentlicht.
Im Zentrum der Untersuchung stand das System JVAS B1938+666. Hier fungiert eine massive elliptische Galaxie, die etwa 6,5 Milliarden Lichtjahre entfernt liegt, als Gravitationslinse. Sie verzerrt die Strahlung einer viel weiter entfernten Radioquelle, die sich in einer Distanz von über 11 Milliarden Lichtjahren zur Erde befindet. Um diese beispiellose Detailgenauigkeit zu erreichen, wurde die VLBI-Technik eingesetzt, welche 22 globale Radioteleskope, darunter das Europäische VLBI-Netzwerk und das VLBA-Array, virtuell zusammenschloss. Eine Schlüsselrolle in diesem Verbund spielte die 32-Meter-Antenne „Gabriele Grueff“ in Medicina, die vom Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) betrieben wird. Die Datenverarbeitung, koordiniert in JIVE, erzeugte den Effekt einer einzigen virtuellen Antenne, deren Ausdehnung der Distanz zwischen den am weitesten voneinander entfernten Elementen des Netzwerks entsprach. Dies ermöglichte eine beeindruckende Auflösung von einer tausendstel Bogensekunde.
Die vierzehnstündigen Beobachtungen bei einer Frequenz von 1,7 GHz enthüllten einen „extrem feinen und nahezu vollständigen Gravitationsbogen – den schärfsten, der jemals mit dieser Technik beobachtet wurde“. Durch die sorgfältige Modellierung der Massenverteilung der Linsengalaxie konnten die Forscher die tatsächliche Form der dahinterliegenden Radioquelle rekonstruieren. Die gewonnenen Daten deuten darauf hin, dass das 11 Milliarden Lichtjahre entfernte Objekt eine kompakte und symmetrische Struktur aufweist, die einer frühen Phase der Aktivität eines supermassiven Schwarzen Lochs entspricht. Die Struktur erstreckt sich über etwa 2000 Lichtjahre und zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen offensichtlichen zentralen Kern besitzt, stattdessen aber zwei helle, Radiostrahlung emittierende Bereiche an den Rändern zeigt. Cristiana Spingola vom INAF merkte an, dass diese Veröffentlichung den Auftakt zu einer Reihe von Artikeln über komplexe VLBI-Beobachtungen bildet. John McKean von der Universität Groningen, der die Beobachtungen koordinierte, hob hervor, dass eine Anomalie im Gravitationsbogen sofort bemerkt wurde, was ein deutliches Zeichen für den Erfolg der Messungen war.
Basierend auf demselben VLBI-Datensatz identifizierte eine zweite Untersuchung das kleinste Objekt, das jemals in der fernen Galaxie allein aufgrund seiner Gravitationswirkung entdeckt wurde. Mithilfe neuer, verbesserter Analysealgorithmen spürte das Team eine zusätzliche Massenkonzentration auf, die sich wahrscheinlich in derselben Entfernung wie die Linsengalaxie (6,5 Milliarden Lichtjahre) befindet. Dieses Objekt besitzt eine Masse von etwa einer Million Sonnenmassen – ein winziger Wert im Vergleich zu den Billionen Sonnenmassen der Galaxie selbst. Spingola erklärte, dass dies das erste Mal sei, dass ein Objekt solch geringer Masse in kosmologischer Entfernung ausschließlich durch seinen gravitativen Einfluss nachgewiesen wurde. Bei dem Objekt könnte es sich um einen Dunkle-Materie-Halo, einen dichten Sternhaufen oder eine kleine, erloschene Zwerggalaxie handeln. Simone Vegetti vom Max-Planck-Institut für Astrophysik betonte, dass der Nachweis der Existenz von Dunkle-Materie-Klumpen enorme Rechenkapazitäten erfordere. Sollte eine weitere Analyse das Vorhandensein solcher dunklen Körper bestätigen, könnte dies einen entscheidenden Test für das Verständnis der Natur der Dunklen Materie darstellen und etablierte kosmologische Theorien beeinflussen.