Der sechs Millionen Jahre alte Eispanzer der Antarktis enthüllt Einblicke in eine wärmere Epoche

Bearbeitet von: Uliana S.

Eine Eisprobe von etwa 6 Millionen Jahren wurde in Ostantarktika gesammelt.

Ein international zusammengesetztes Forscherteam hat in der Region Allan Hills in der Ostantarktis einen bemerkenswerten wissenschaftlichen Durchbruch erzielt. Es gelang ihnen, Eisproben zu bergen, deren Alter direkt auf sechs Millionen Jahre datiert werden konnte. Diese Leistung, die im Rahmen der COLDEX-Kollaboration realisiert wurde, eröffnet eine beispiellose Perspektive auf die Klimageschichte unseres Planeten und die langfristige Entwicklung des Eisschildes. Die Ergebnisse dieser wegweisenden Untersuchung, die das Verständnis für vergangene Warmzeiten revolutionieren könnten, wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Die Bedeutung dieser historischen Entdeckung kann kaum überschätzt werden. Das gefundene Eis ist ungefähr sechsmal älter als alle zuvor gewonnenen Eiskernproben, die typischerweise nur bis zu einer Million Jahre zurückreichen. Es fungiert quasi als eine einzigartige „Bibliothek klimatischer Momentaufnahmen“, da es in seinen mikroskopisch kleinen Luftbläschen die ursprüngliche Zusammensetzung der Atmosphäre aus jener fernen Epoche konserviert hat. Ursprünglich hatten die Wissenschaftler, darunter der renommierte Paläoklimatologe Ed Brook, Direktor von COLDEX, lediglich mit der Entdeckung von Eis gerechnet, das nicht älter als drei Millionen Jahre war. Die tatsächliche Datierung übertraf somit alle anfänglichen Erwartungen bei Weitem und liefert Material aus einer kritischen Periode der Erdgeschichte.

Ostantarktis, Allan Hills.

Geleitet wurde diese tiefgreifende Forschung von Sarah Shackleton vom Woods Hole Oceanographic Institution und John Higgins von der Princeton University. Der Zeitraum vor sechs Millionen Jahren, aus dem diese Eisschichten stammen, war global gesehen durch deutlich höhere Temperaturen und einen wesentlich höheren Meeresspiegel gekennzeichnet, als wir es in modernen Zeiten kennen. Das Studium dieser Bedingungen ist entscheidend, um die Reaktion der Eisschilde auf zukünftige Erwärmungsszenarien zu modellieren. Die Analyse der Sauerstoffisotope in diesen archaischen Schichten ermöglichte es den Forschern, erstmals eine direkte Messung der langfristigen Abkühlungstendenz der Antarktis vorzunehmen, die sich über Jahrmillionen erstreckte.

Die gewonnenen Daten zeigen eindrücklich, dass die Temperatur im Gebiet von Allan Hills in den vergangenen sechs Millionen Jahren um etwa 12 Grad Celsius gesunken ist. Diese direkte Messung liefert einen fundamentalen Bezugspunkt für das Verständnis der Dynamik des antarktischen Eisschildes über geologische Zeiträume hinweg und bestätigt die schrittweise Vereisung des Kontinents. Der Umstand, dass solch uralte Schichten relativ nahe an der Oberfläche erhalten geblieben sind, ist auf die einzigartigen Umweltbedingungen vor Ort zurückzuführen, die eine traditionelle Eiskernbohrung unnötig machten.

Das COLDEX-Team, ein Zusammenschluss von fünfzehn amerikanischen Forschungsinstituten unter der Schirmherrschaft der Oregon State University, setzte auf eine unkonventionelle Taktik des Flachbohrens. Anstatt tief in den zentralen Eisschild vorzudringen, wurden die Proben aus Bohrlöchern mit einer Tiefe von lediglich 100 bis 200 Metern am Rand des Eisschildes entnommen. Dieses Phänomen der Erhaltung wird durch eine komplexe Kombination aus mehreren geologischen und meteorologischen Faktoren begünstigt: das zerklüftete Gebirgsprofil, die extreme Kälte, welche die Fließgeschwindigkeit des Eises drastisch verlangsamt, und intensive katabatische Winde, die den frischen Schnee kontinuierlich abtragen. Diese spezifischen Gegebenheiten führen dazu, dass die älteren Eisschichten an die Oberfläche gedrückt werden, was Allan Hills zu einem weltweit idealen Standort für derartige paläoklimatische Studien macht.

Das primäre Ziel der Wissenschaftler besteht nun darin, mithilfe dieser einzigartigen Proben die historischen Konzentrationen von Treibhausgasen und den Wärmegehalt der Ozeane präzise zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktionen sollen als entscheidende Anhaltspunkte dienen, um zukünftige Klimapfade besser einschätzen und fundiertere Prognosen erstellen zu können. Die Untersuchung dieser eingefrorenen Momente der Vergangenheit ermöglicht eine wissenschaftlich fundiertere Herangehensweise an die aktuellen globalen Herausforderungen und verdeutlicht, dass selbst die stabilsten geologischen und klimatischen Strukturen im Laufe der Zeit tiefgreifenden Transformationen unterliegen. Die Entdeckung in Allan Hills liefert somit nicht nur historische Daten, sondern auch eine Warnung für die Zukunft.

Quellen

  • elDiarioAR.com

  • Six-million-year-old ice discovered in Antarctica offers unprecedented window into a warmer Earth

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