In Kopenhagen beraten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über eine entscheidende Initiative zur Unterstützung der Ukraine: die Verwendung von rund 200 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Vermögenswerten zur Finanzierung eines Hilfskredits für Kiew. Dieser Vorschlag, der von der Europäischen Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen eingebracht wurde, sieht einen Kreditmechanismus vor, der durch diese eingefrorenen Gelder abgesichert werden soll. Die Ukraine könnte somit Mittel erhalten, deren Rückzahlung an russische Kriegsreparationen gebunden wäre.
Die Idee hinter diesem „Reparationskredit“ ist, die militärischen Fähigkeiten der Ukraine über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu stärken, während Russland seine Aggression fortsetzt. Die Europäische Zentralbank (EZB) und mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, äußern jedoch Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Implikationen und der potenziellen Auswirkungen auf den Euro als Leitwährung. Der belgische Premierminister Bart De Wever warnte vor einer „Schockierung der Weltfinanzordnung“, da die Beschlagnahmung solcher Gelder als riskant für die globale Finanzstabilität angesehen wird. Er betonte, dass die Zinserträge aus diesen Vermögenswerten bereits zur Unterstützung der Ukraine verwendet werden und eine direkte Konfiszierung rechtliche Hürden mit sich bringe.
Die Ukraine benötigt jährlich schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung und den Wiederaufbau. Angesichts der Berichte über eine mögliche Reduzierung der US-Hilfen rückt Europa stärker in den Fokus, um diese Finanzierungslücke zu schließen. Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte, die größtenteils bei Euroclear in Belgien liegen, stellen eine bedeutende potenzielle Finanzierungsquelle dar. Die genaue Höhe der eingefrorenen russischen Zentralbankvermögen in der EU wird auf etwa 210 Milliarden Euro geschätzt, wovon ein Großteil, rund 176 Milliarden Euro, bei Euroclear liegt.
Die Debatte in Kopenhagen markiert einen kritischen Punkt für die europäische Unterstützung der Ukraine. Während einige Länder wie Finnland, Schweden und Estland die Nutzung der eingefrorenen russischen Gelder befürworten, mahnen andere zur Vorsicht. Die rechtlichen Hürden, wie die staatliche Immunität von Vermögenswerten, sind erheblich und könnten durch legislative oder exekutive Maßnahmen umgangen werden, oder als Gegenmaßnahme im Völkerrecht gerechtfertigt werden. Die Europäische Kommission schlägt vor, die Gelder über ein spezielles Zweckunternehmen (Special Purpose Vehicle, SPV) zu leiten, um rechtliche Risiken zu minimieren und die Eigentumsrechte Russlands formal zu wahren. Die endgültigen Entscheidungen dieser Beratungen werden maßgeblich die Fähigkeit der Europäischen Union beeinflussen, die Verteidigungs- und Wiederaufbaubemühungen der Ukraine im anhaltenden Konflikt mit Russland zu unterstützen und die finanzielle Stabilität Europas zu wahren.