In Kopenhagen kamen am 19. September 2025 die Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union zusammen, um einen zentralen Vorschlag zu erörtern: die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur finanziellen Unterstützung der Ukraine. Diese Beratungen unterstreichen Europas fortwährende Bemühungen, nachhaltige Finanzierungslösungen für Kiew inmitten des anhaltenden Konflikts zu finden.
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner betonte die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung des Vorschlags und erklärte, Deutschland erwarte spezifische Vorschläge von der Europäischen Kommission. Er bekräftigte Deutschlands Absicht, den Fortschritt zu fördern, anstatt Hindernisse zu schaffen. "Alles muss sorgfältig geprüft werden, und wir warten nun sehr spezifisch auf die Vorschläge der Europäischen Kommission, aber Deutschland wird eine Rolle übernehmen, in der wir Dinge ermöglichen wollen und nicht eine Rolle, in der wir Dinge blockieren", so Lindner. Dieser pragmatische Ansatz versucht, den Wunsch zur Unterstützung der Ukraine mit der Notwendigkeit einer soliden rechtlichen und verfahrenstechnischen Grundlage in Einklang zu bringen.
Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo bekräftigte die Unterstützung Spaniens für diese Initiative und hob die Bemühungen seines Landes hervor, die Einfuhren von russischem Flüssigerdgas zu reduzieren und seine Energieversorgung zu diversifizieren. "Von Spanien aus haben wir uns immer dafür ausgesprochen, die Finanzierung für die Ukraine so weit wie möglich zu erhöhen", sagte Cuerpo. Diese Haltung spiegelt breitere geopolitische und wirtschaftliche Verschiebungen als Reaktion auf den Konflikt wider.
Der ukrainische Finanzminister Sergii Marchenko hob die entscheidende Bedeutung der internationalen Unterstützung für das ukrainische Budget hervor und wies darauf hin, dass die externe Finanzierung seit Beginn der Invasion 138,75 Milliarden US-Dollar übersteigt. Er äußerte die Erwartung, dass die Ukraine in den kommenden Jahren erhebliche Mittel aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten erhalten wird, wobei ein Teil des 50-Milliarden-Dollar-Mechanismus der G7 für 2025 erwartet wird. Die Ukraine schätzt ihren Bedarf an externer Finanzierung für die nächsten vier Jahre im Rahmen eines neuen IWF-Programms auf 150 bis 170 Milliarden US-Dollar. Für 2025 erwartet die Ukraine eine vollständige Deckung ihres externen Finanzierungsbedarfs in Höhe von 39,3 Milliarden US-Dollar. Die Gesamtsumme der eingefrorenen russischen Zentralbankvermögenswerte in den G7-Ländern beläuft sich auf rund 300 Milliarden US-Dollar, wovon der Großteil in Europa liegt, insbesondere in Belgien, wo im Wertpapierverwahrer Euroclear 194 Milliarden Euro (228,24 Milliarden US-Dollar) dieser Vermögenswerte gehalten werden. Von den 194 Milliarden Euro in Wertpapieren sind etwa 170 Milliarden bereits zu Bargeld geworden, da die Wertpapiere seit ihrer Einfrierung, als Moskau im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, fällig wurden. Es ist noch unklar, welcher Teil dieses Geldes für die Umsetzung der Idee eines Reparationskredits verwendet werden kann.
Die Europäische Kommission hat die Möglichkeit der Nutzung von Erträgen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zur Finanzierung eines „Reparationsdarlehens“ für die Ukraine vorgeschlagen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Ukraine zu unterstützen, ohne die Vermögenswerte direkt zu beschlagnahmen, und somit einige der rechtlichen und finanziellen Risiken zu mindern. Der Mechanismus sieht vor, dass die Ukraine den Kredit erst dann zurückzahlen muss, wenn sie von Russland eine Entschädigung für die durch die Militäroperation verursachten Schäden erhalten hat. Estland hat eine Vorreiterrolle bei der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur Entschädigung der Ukraine übernommen und damit einen Präzedenzfall für andere EU-Länder geschaffen. Die rechtlichen Komplexitäten rund um die Beschlagnahmung von Vermögenswerten bleiben ein wichtiger Diskussionspunkt, wobei einige Rechtsexperten argumentieren, dass eine vollständige Beschlagnahmung ohne Gerichtsurteil rechtswidrig sein und Finanzmärkte destabilisieren könnte.
Vertreter der EU, die mit den Details des Plans vertraut sind, erklärten, dass im Falle einer Weigerung Ungarns, sich der Initiative anzuschließen, das neue Schema nicht auf Ebene aller 27 Mitgliedstaaten der Union, sondern in Form eines zwischenstaatlichen Abkommens zwischen den teilnehmenden Staaten umgesetzt werden könnte. Dieser Ansatz würde es nach Ansicht europäischer Beamter ermöglichen, das Vetorecht einzelner EU-Mitglieder zu umgehen.
Trotz der Unterstützung der Initiative durch einige Länder gibt es auch skeptische Stimmen. Der belgische Finanzminister Vincent Van Peteghem äußerte Bedenken, nannte den Vorschlag „ziemlich vage“ und betonte die Notwendigkeit einer Risikoteilung zwischen allen EU-Mitgliedstaaten. Die Europäische Zentralbank forderte ebenfalls eine detailliertere Ausarbeitung des Vorschlags der Europäischen Kommission.