Der Wandel Japans: Sanae Takaichi wird erste Premierministerin in der Verfassungsgeschichte

Bearbeitet von: gaya ❤️ one

Am 21. Oktober 2025 wurde in der politischen Geschichte Japans ein wahrhaft historischer Augenblick verzeichnet. Sanae Takaichi, die zuvor als Präsidentin der Liberaldemokratischen Partei (LDP) fungierte, wurde im Unterhaus mit 237 Stimmen zur 104. Premierministerin gewählt. Dies ist ein Novum in der konstitutionellen Geschichte des Landes, da zum allerersten Mal eine Frau das Amt des Regierungschefs übernimmt. Dieser Machtwechsel deutet auf eine tiefgreifende Verschiebung in der lange Zeit als unveränderlich geltenden politischen Landschaft Japans hin. Die Etablierung dieser neuen Regierungskoalition ist somit mehr als nur ein persönlicher Erfolg; sie spiegelt die Bereitschaft der gesamten Gesellschaft wider, sich auf einen tiefgreifenden Wandel einzulassen.

Die Amtsübernahme von Takaichi erfolgte, nachdem die Komeito-Partei, der bisherige Koalitionspartner der Vorgängerregierung, aus dem Bündnis ausgeschieden war. Unter diesen Umständen gelang es Takaichi, ihre Regierungsbasis durch eine neue Zusammenarbeit mit der rechtsgerichteten Nippon Ishin no Kai (Japan Innovation Party, JIP) zu festigen. Ihr Herausforderer, Yoshihiko Noda, der Vorsitzende der Konstitutionell-Demokratischen Partei, konnte lediglich 149 Stimmen auf sich vereinen. Bemerkenswert ist, dass Takaichi am 5. Oktober die LDP-Vorsitzwahl gegen ausschließlich männliche Konkurrenten gewonnen hatte. Diese politische Entwicklung verdeutlicht, wie entscheidend es ist, angesichts veränderter Rahmenbedingungen neue Allianzen zu schmieden und die politische Zusammenarbeit neu zu definieren.

Im Zentrum der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung Takaichi steht die Fortführung der sogenannten „Abenomics“, die einst vom verstorbenen Premierminister Shinzo Abe initiiert wurden. Konkret bedeutet dies die Stärkung des Einflusses der Regierung auf die Zentralbank, eine Ausweitung der Staatsausgaben sowie Steuersenkungen. Durch die Kooperation mit der JIP wurde zudem ein spezifisches politisches Versprechen in das Programm aufgenommen: die Einführung einer Null-Verbrauchssteuer auf Lebensmittel. Von dieser Maßnahme wird eine unmittelbare Entlastung für die Bevölkerung erwartet. Dennoch birgt das Streben nach wirtschaftlicher Belebung auch die Gefahr einer weiteren Verschärfung der Inflation. Die Steuerung der Wirtschaft erfordert daher ein Höchstmaß an Umsicht und Fingerspitzengefühl.

Auf der außenpolitischen Bühne könnte Takaichis konservative und nationalistische Haltung zu einer Zunahme der Spannungen führen, insbesondere im Umgang mit der Volksrepublik China. Ihre diplomatischen Fähigkeiten werden erstmals am 27. Oktober auf die Probe gestellt, wenn das geplante Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump stattfindet. Dieses Gipfeltreffen ist ein entscheidender Moment, um die internationale Positionierung und die außenpolitischen Prioritäten der neuen Regierung klar zu umreißen.

Das von Takaichi proklamierte Ziel eines „Kabinetts, in dem Frauen aktiv sind, vergleichbar mit den nordischen Ländern“, steht in deutlichem Widerspruch zur aktuellen Situation Japans. Der Global Gender Gap Report 2025 des Weltwirtschaftsforums listet Japan auf dem enttäuschenden 118. Platz von 148 Staaten, wobei die Werte im politischen Bereich besonders niedrig sind. Tatsächlich beträgt der Frauenanteil im Unterhaus lediglich rund 15%. Obwohl Takaichi selbst Gesetzesänderungen ablehnt, die es Ehepaaren ermöglichen würden, getrennte Nachnamen zu wählen, setzt sie sich gleichzeitig für eine stärkere Sensibilisierung für die Gesundheit von Frauen ein. Die zentrale Frage der kommenden Amtszeit wird sein, wie sie diesen inneren Widerspruch auflöst und einen echten Bewusstseinswandel in der Gesellschaft herbeiführen kann. Ihre Erfahrung als Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit (2022–2024) wird der 64-Jährigen bei der Umsetzung ihrer Politik zugutekommen. Ihre früheren Besuche des Yasukuni-Schreins und ihre Befürwortung einer Revision der Friedensverfassung werden jedoch in den Beziehungen zu den Nachbarländern stets als Spiegel dienen, der zur Selbstreflexion und zur Suche nach Harmonie mahnt.

Quellen

  • Deutsche Welle

  • The Japan Times

  • PBS News

  • The Washington Post

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