Die Philosophie der Langsamkeit: Chef Mike Reed über die Geschmackstiefe von Rindfleisch

Bearbeitet von: Olga Samsonova

Küchenchef Mike Reed vertritt eine kulinarische Philosophie, in der Zeit als unverzichtbare Zutat gilt. Er belebt damit Traditionen wieder, die einen respektvollen Umgang mit Lebensmitteln in den Vordergrund stellen. Sein renommiertes Restaurant in London dient als lebendiges Beispiel für diesen Ansatz. Dort erfahren historische Rezepte, wie etwa seine eigene, kreative Interpretation der klassischen Erbsensuppe, eine moderne und tiefgründige Neuinterpretation. Reeds Hauptaugenmerk liegt auf jenen Teilen des Rindfleischs, die ein hohes Maß an Geduld erfordern, dafür aber eine außergewöhnliche Geschmackstiefe freisetzen: die Hesse (Rindfleischkeule) und der Schwanz. Diese Fleischstücke, die oft im Schatten der teureren Steaks stehen, verkörpern das zentrale Prinzip, dass der wahre Wert eines Produkts erst durch eine langwierige und sorgfältige Verarbeitung vollends zur Geltung kommt. Er sieht in der Langsamkeit den Schlüssel zur Entfaltung des vollen Aromas.

Rindfleisch zählt zu den beliebtesten Fleischsorten und wird nicht zuletzt wegen seines hohen Gehalts an B-Vitaminen, Eisen und Zink geschätzt. Reeds Philosophie in Bezug auf Schmorgerichte geht jedoch weit über die bloße Einhaltung eines Rezepts hinaus. Er plädiert aktiv dafür, die Textur und den Nährwert von Eintöpfen durch die Beimischung von Getreide und Hülsenfrüchten zu bereichern, darunter Linsen, Gerste und Bohnen. Diese Methode macht das Gericht nicht nur sättigender; sie schafft eine vielschichtige Geschmackswelt, in der jede einzelne Komponente zur Gesamtharmonie beiträgt. Das Streben nach Geschmacksintensität korrespondiert mit der Tradition des langsamen Schmorens, wie es beispielsweise beim Harissa-Eintopf der Fall ist, bei dem das Fleisch stundenlang köchelt, damit die Gewürze tief in die Produktstruktur eindringen können und eine unvergleichliche Komplexität entsteht.

Um die ideale Konsistenz zu erzielen, schlägt der Chefkoch mehrere bewährte Methoden vor, die über das reine Schmoren hinausgehen. Abgesehen von der Verwendung stärkehaltiger Gemüse, die auf natürliche Weise die Flüssigkeit binden und andicken, empfiehlt Reed, das Fleisch vor dem Anbraten zunächst sorgfältig in Mehl zu wenden. Dieser Vorgang bildet eine schützende Kruste, die die Fleischsäfte im Inneren hält und gleichzeitig maßgeblich zur Bindung der Sauce beiträgt. Als schnelle Alternative zur finalen Konsistenzanpassung eines Gerichts kann eine Suspension aus Maisstärke eingesetzt werden. Kulinarische Experten betonen zudem, dass das Garen bei sehr niedriger Hitze, ohne dass die Flüssigkeit jemals zum Kochen gebracht wird, dem Rindfleisch zusätzliche Saftigkeit und Zartheit verleiht. Diese schonende Zubereitungsart kann man im weitesten Sinne als eine Form des „Pochierens“ bezeichnen, die die Fasern schont.

In einem kulinarischen Kontext, in dem jede Region danach strebt, Gerichten eine einzigartige Note zu verleihen, konzentriert sich Reeds Ansatz auf den tiefen Respekt vor dem Prozess, um das inhärente Potenzial des Produkts selbst freizusetzen. Diese Haltung steht im Einklang mit den Bemühungen von Forschern in anderen Küchen, beispielsweise in der ukrainischen Gastronomie, die Mythen über die Herkunft von Lebensmitteln entlarven und zu authentischen, ursprünglichen Grundlagen, wie etwa Hirse, zurückkehren wollen. Es geht darum, die Essenz der Tradition zu verstehen und sie zeitgemäß zu interpretieren. Letztendlich liegt die Meisterschaft des Küchenchefs in der Fähigkeit, in jedem Stück Fleisch nicht nur einen einfachen Rohstoff zu sehen, sondern eine Möglichkeit zur geschmacklichen Transformation. Hierbei schaffen Geduld und die akribische Liebe zum Detail ein kulinarisches Erlebnis, das mit tief verwurzelten, zeitgeprüften Prinzipien der Kochkunst in Resonanz steht und den Gast auf eine Reise durch die Zeit mitnimmt.

Quellen

  • Dnevno.hr

  • Express

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