Gerhard Richter: Sechs Jahrzehnte visueller Suche – Eine umfassende Retrospektive in Paris

Bearbeitet von: Irena I

Die Fondation Louis Vuitton in Paris präsentiert eine umfassende Retrospektive, die dem einflussreichen deutschen Künstler Gerhard Richter gewidmet ist. Diese monumentale Schau, die vom 17. Oktober 2025 bis zum 2. März 2026 läuft, bietet einen tiefen Einblick in das Schaffen Richters, das sich über mehr als sechs Jahrzehnte unermüdlicher Erforschung visueller Wahrheiten erstreckt. Die Kuratoren Dieter Schwarz und Nicolas Serota haben die Erzählung streng chronologisch aufgebaut, um die Entwicklung von Richters einzigartiger künstlerischer Vision nachvollziehbar zu machen.

Die Ausstellung besticht durch ihre beispiellose Breite und zeigt rund 270 Werke, die zwischen 1962 und 2024 entstanden sind. Besucher erleben eine beeindruckende Vielfalt an Medien: von klassischer Ölmalerei über Skulpturen aus Glas und Stahl bis hin zu Grafiken, Aquarellen und vom Künstler bearbeiteten Fotografien. Diese allumfassende Präsentation unterstreicht Richters Position als eine zentrale Figur der globalen Gegenwartskunst und gewährt Einblicke in sein facettenreiches Erbe, das, wie er selbst betont, aus der kontinuierlichen Arbeit im Atelier schöpft.

Ein besonderer Fokus liegt auf dem ikonischen Zyklus „18. Oktober 1977“, einer bedeutenden Leihgabe des MoMA. Diese Serie, bestehend aus fünfzehn Leinwänden, die Richter 1988 fertigstellte, stellt die einzige direkte Auseinandersetzung in seinem Œuvre mit der jüngeren deutschen Geschichte dar – genauer gesagt mit den Ereignissen des „Deutschen Herbstes“ und der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF). Das Datum im Titel bezieht sich auf den Tag, an dem die Leichen von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim gefunden wurden. Die Entstehung dieser Arbeiten löste seinerzeit eine heftige öffentliche Debatte aus und verdeutlichte, wie umstritten diese historischen Vorkommnisse für die deutsche Gesellschaft nach wie vor waren.

Richter, der 1961 von Dresden nach Düsseldorf übersiedelte und sich später in Köln niederließ, wo er bis heute lebt und arbeitet, verfolgte stets das Ziel, traditionelle Genres wie Stillleben, Porträt, Landschaft und Historienmalerei neu zu definieren und durch eine moderne Linse zu betrachten. Er arbeitet niemals direkt nach der Natur; stattdessen dient ihm stets ein Vermittler – sei es eine Fotografie oder eine Zeichnung – als Ausgangspunkt für ein autonomes Kunstwerk. In den frühen Sälen, die den Zeitraum von 1962 bis 1970 umfassen, wird deutlich, wie die Fotografie als kreatives Sprungbrett fungierte. Hier werden sogar Familienbilder wie „Onkel Rudi“ und „Tante Marianne“ zum Anlass für Reflexionen über persönliche und nationale Geschichte. Der Künstler erweiterte kontinuierlich die Grenzen der Malerei, indem er Techniken wie die charakteristische Verwischung (Vermalung) und den Einsatz von Rakeln einführte, während er sich gleichzeitig jeder einfachen Kategorisierung entzog.

Das Ereignis in der Fondation Louis Vuitton ist weit mehr als nur eine Ausstellung. Es bietet die seltene Gelegenheit zu sehen, wie persönliche Erfahrungen, durch meisterhaftes Können gefiltert, zu einem Spiegel für umfassendere gesellschaftliche Prozesse werden können. Die Schau regt die Betrachter dazu an, das Gesehene tiefgründiger zu hinterfragen und neu zu bewerten.

Quellen

  • Traveler

  • Fondation Louis Vuitton Gerhard Richter Exhibition

  • Holidays at the Fondation

  • Gerhard Richter at Fondation Louis Vuitton

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