Historischer Fund in Wolfhagen: Archäologen legen alte Gräber bei Stadtkirche frei

Historiker Dirk Timann betrachtet eines der 13 Skelette, die während Bauarbeiten in der Nähe der Stadtkirche in Wolfhagen gefunden wurden. © Antje Thon / HNA.de

Bei Bauarbeiten nahe der Stadtkirche in Wolfhagen wurden menschliche Überreste entdeckt, was umgehend zu einer Unterbrechung der Tätigkeiten führte. Archäologen und Historiker untersuchen nun die Funde, um tiefere Einblicke in die regionale Geschichte zu gewinnen. Mitarbeiter der Technischen Dienste der Stadt Wolfhagen stießen bei Erdarbeiten an der südöstlichen Seite des Kirchenschiffs auf mehrere menschliche Knochen. Daraufhin wurden die Bauarbeiten in diesem Bereich Mitte der Woche gestoppt und das Landesamt für Denkmalpflege Hessen hinzugezogen.

Angesichts früherer Entdeckungen in der Nähe der Kirche wird vermutet, dass die Gebeine von Personen stammen, die dort vor langer Zeit nach christlichem Ritus bestattet wurden.

Der Archäologe Tilo Warnecke, der die Arbeiten begleitet, berichtete, dass die freigelegten Überreste mindestens 13 Individuen zuzuordnen sind. Die Knochen lagen in einer Tiefe von 40 bis 60 Zentimetern, teilweise dicht nebeneinander und übereinander.

Der Zustand der Skelette ist bemerkenswert gut, da der kalkhaltige Boden den Knochen kaum Kalk entzogen hat. Allerdings wurden auch Stellen dokumentiert, an denen der Druck schwerer Baumaschinen die empfindlichen Skelette beschädigt hatte.

Warnecke geht davon aus, dass die Toten in der Vergangenheit in Wolfhagen beigesetzt wurden, da es üblich war, Verstorbene in unmittelbarer Nähe von Kirchen beizusetzen. Da keine Grabbeigaben gefunden wurden, bleibt das genaue Alter der Skelette unklar. Die Bestattungen könnten zeitlich von der Kirchengründung bis ins 19. Jahrhundert reichen.

Zwischen den Gebeinen fand man vereinzelte, kantige Eisennägel mit Holzresten. Dies deutet darauf hin, dass einige der Verstorbenen in Särgen beigesetzt wurden. Ob die Bestattung in Leichentüchern von finanziellen Aspekten abhing, ist denkbar; Spuren von Leichentüchern konnten jedoch nicht nachgewiesen werden.

Obwohl eine anthropologische Untersuchung Aufschluss über das Alter der Skelette geben könnte, ist diese momentan nicht vorgesehen. Zusätzliche Informationen könnten Chroniken oder Kirchenbücher liefern, die Daten aus der Stadtgeschichte Wolfhagens enthalten. Die Knochen werden nun sorgfältig dokumentiert, vermessen und fotografiert. Anschließend werden sie zwischengelagert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder beigesetzt, wahrscheinlich in der Nähe ihres ursprünglichen Bestattungsortes bei der Kirche.

Die Erdarbeiten an der südöstlichen Seite des Kirchenschiffs dienen der Schaffung zusätzlicher Parkplätze an der Burgstraße. Bei Bauvorhaben in der Nähe historischer Gebäude, wie der evangelischen Stadtkirche, ist es Standard, Archäologen hinzuzuziehen. Dies geschieht, weil der Boden stets Überraschungen bergen kann – sei es in Form alter Fundamente oder, wie in diesem Fall, menschlicher Gebeine.

Pastor Martin Jung betonte die Notwendigkeit eines sensiblen und würdevollen Umgangs mit den menschlichen Überresten. Nach Abschluss der Untersuchungen werden die sterblichen Überreste der Menschen umgebettet. Die Kirche verfügt über klare Richtlinien und Abläufe für solche Neubestattungen. Archäologe Tilo Warnecke erläuterte, dass es sich seit dem 11. und 12. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert hinein etabliert hatte, die Toten im Umfeld der Kirchen zu bestatten. Erst als der Platz um die Sakralbauten knapp wurde, entstanden neue Friedhöfe.

Der Fund menschlicher Knochen nahe der Stadtkirche ist für die Bürger Wolfhagens keine gänzlich neue Erfahrung. Bereits vor etwa zwölf Jahren wurden bei der Neuerrichtung von Versorgungsleitungen nicht nur alte Mauern, die auf einen Vorgängerbau hindeuteten, sondern auch Skelette entdeckt. Darunter befanden sich die Überreste einer Frau, die möglicherweise schwanger war, sowie zwei kleine Kinder. Die unmittelbare Nähe des Fundortes zu den Fundamenten des Turms und die Lage auf einem steinernen Kirchenboden ließen vermuten, dass die Frau einen höheren sozialen Status innehatte.

Die Arbeiten zwischen der Kirche und dem Rathaus sollen planmäßig bis Anfang November 2025 abgeschlossen sein. Die Untersuchungen der Archäologen und Historiker könnten sich jedoch noch über die kommenden Wochen hinziehen. Bürgermeister Dirk Scharrer rechnet zwar mit Verzögerungen, unterstreicht aber, dass der Weihnachtsmarkt am 6. und 7. Dezember dadurch nicht beeinträchtigt werden soll.

Quellen

  • HNA

  • Hessische/Niedersächsische Allgemeine

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