Silberkelch neu interpretiert als älteste Kosmos-Darstellung, älter als babylonischer Mythos

Bearbeitet von: Tetiana Martynovska 17

Der antike Silberbecher bewahrt das älteste bekannte Bild der kosmischen Schöpfung.

Ein Silberkelch von etwa acht Zentimetern Höhe, der 1970 nahe der Quelle von 'Ain Samiya bei Kafr Malik im Westjordanland gefunden wurde, wird von Forschern neu bewertet. Sie sehen darin möglicherweise die früheste bekannte visuelle Darstellung des Kosmos. Das Artefakt stammt aus der Mittleren Bronzezeit, einer Epoche, die grob von 2500 bis 2000 v. Chr. reicht. Dieses Objekt ist besonders bemerkenswert, da es das einzige Luxusgut ist, das aus dem südlichen Levant aus diesem Zeitraum geborgen werden konnte.

Die bahnbrechende neue Analyse, die in der Fachzeitschrift „Ex Oriente Lux“ der Ancient Near Eastern Society veröffentlicht wurde, legt nahe, dass die gehämmerten Reliefmotive den Übergang von einem ursprünglichen chaotischen Zustand zu einem geordneten Universum illustrieren. Im Zentrum dieser Darstellung steht die Entstehung und der tägliche Lauf der Sonne. Diese Deutung steht in direktem Gegensatz zu früheren wissenschaftlichen Ansichten, welche die Bilder mit dem babylonischen Schöpfungsmythos Enuma Elish in Verbindung brachten. Jener Mythos wurde jedoch erst über ein Jahrtausend später, um 1200 v. Chr., niedergeschrieben. Die Szenen auf dem Kelch deuten auf einen friedlichen Ordnungsprozess hin, der sich deutlich von dem gewaltsamen göttlichen Kampf unterscheidet, den der spätere Mythos beschreibt.

Die Ikonografie umfasst Himmelszeichen, Gottheiten, Chimären und Schlangen, verteilt auf zwei unterschiedliche Szenen. Ein entscheidendes Element, das die kosmologische Lesart untermauert, ist die Identifizierung eines halbmondförmigen „Himmlischen Bootes“. Dieses wird von zwei göttlichen Figuren getragen. Die Forscher argumentieren, dass dieses Boot den göttlichen Apparat symbolisiert, der Sonne und Mond über die Himmelsweite transportiert. Diese Neubewertung hebt den Kelch von 'Ain Samiya von einer bloßen regionalen Kuriosität zu einem potenziell weltweit ältesten künstlerischen Zeugnis einer systematischen Erklärung des Ursprungs des Universums empor.

Wissenschaftler vermuten, dass der Kelch wahrscheinlich von einem Künstler des Akkadischen Reiches während des 23. Jahrhunderts v. Chr. konzipiert und anschließend von einem Silberschmied in Nordsyrien gefertigt wurde. Er wurde dann in den südlichen Levant transportiert und dort um 2200 v. Chr. in einem Elitegrab beigesetzt. Diese chronologische Einordnung wird durch vergleichende Funde gestützt, wie etwa das Lidar Höyük Prisma, das in Şanliurfa, Türkei, ausgegraben wurde. Dieses Prisma weist ähnliche kosmologische Symbole auf und datiert zwischen 2000 und 1600 v. Chr. Darüber hinaus findet das Motiv des himmlischen Bootes Parallelen in Reliefs des hethitischen Felsheiligtums Yazılıkaya, die auf etwa 1200 v. Chr. datiert werden.

Der Kelch wurde zusammen mit sechzehn Keramikgefäßen und Bernsteinperlen aus Grab 204/204a geborgen. Er befindet sich derzeit als Dauerleihgabe im Israel Museum und ist dort ausgestellt. Die aktuelle Analyse positioniert das Artefakt als einen wichtigen Knotenpunkt für das Verständnis der frühen nahöstlichen Geistesgeschichte. Es verbindet konzeptionelle Rahmenwerke Mesopotamiens mit den Bestattungsbräuchen der Levante und den altägyptischen Sonnenkulten, wodurch es einen einzigartigen Einblick in die intellektuellen Strömungen dieser frühen Epoche bietet.

Quellen

  • KTBS

  • Scholars Thought This Ancient Silver Goblet Told One Myth for 50 Years. Is It Actually Telling Another Story?

  • Lifting the Sky: The Cosmic Program on the ˁAin Samiya Goblet

Haben Sie einen Fehler oder eine Ungenauigkeit festgestellt?

Wir werden Ihre Kommentare so schnell wie möglich berücksichtigen.