Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung, veröffentlicht in *Science China Earth Sciences*, hat eine überraschende Entwicklung im Ostantarktischen Eisschild aufgedeckt: Zwischen 2021 und 2023 verzeichnete diese Eismasse einen unerwarteten Massenzuwachs. Forscher der Tongji University analysierten Daten der NASA-Satelliten GRACE und GRACE-FO und stellten fest, dass Regionen wie Wilkes Land und Queen Mary Land im Durchschnitt 108 Gigatonnen Eis pro Jahr hinzugewannen. Dies steht im Kontrast zum über Jahrzehnte beobachteten allgemeinen Trend des Eisverlusts in der Antarktis, der zum globalen Meeresspiegelanstieg beiträgt.
Die Daten der GRACE- und GRACE-FO-Missionen zeigen, dass die Gletscher Totten, Denman und Moscow eine Umkehr ihres bisherigen Massenverlusts erfahren haben. Dies wird auf ungewöhnlich hohe Niederschlagsmengen zurückgeführt, die durch eine wärmere und feuchtere Atmosphäre ermöglicht werden. Tom Slater, Experte für Umweltwissenschaften an der Northumbria University, erklärt, dass eine wärmere Atmosphäre die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse wie starker Schneefälle erhöht. Er betont jedoch, dass diese Zuwächse wahrscheinlich temporär sind und die zugrundeliegenden Eisverluste, die durch beschleunigte Gletscherflüsse ins wärmere Meer verursacht werden, nicht aufhalten. Die vorübergehende Eisgewinnung in Ostantarktika hat den Beitrag der Antarktis zum globalen Meeresspiegelanstieg während des Untersuchungszeitraums um etwa 0,3 mm pro Jahr reduziert. Dennoch warnen Forscher, darunter Ted Scambos vom National Snow and Ice Data Center, davor, dies als Umkehr des Klimawandels zu interpretieren. Die Antarktis als Ganzes verliert seit 2002 im Durchschnitt etwa 150 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr, wobei der Eisverlust in Westantarktika weiterhin signifikant ist.
Wissenschaftler sind sich einig, dass die erhöhten Niederschläge ein Symptom des wärmeren Klimas sind, das mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre ermöglicht, und keine Trendwende darstellen. Die Dynamik des antarktischen Eisschilds ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Die aktuellen Beobachtungen unterstreichen die Notwendigkeit kontinuierlicher, hochauflösender Satellitenmessungen, um die komplexen Reaktionen des Erdsystems auf den Klimawandel zu verstehen. Kurzfristige Schwankungen wie diese ungewöhnliche Schneefallperiode heben die langfristige Bedrohung durch den globalen Eisverlust und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg nicht auf.