Der zentrale Ansatz zur Erlangung innerer Widerstandsfähigkeit besagt, dass die eigentliche Begebenheit an sich keine Quelle von Anspannung darstellt. Vielmehr entsteht Stress ausschließlich durch unsere subjektive Bewertung des Geschehens. Diese Erkenntnis stammt von Dr. Ellen Langer, einer angesehenen Professorin für Psychologie an der Harvard University und einer anerkannten Vorreiterin auf dem Gebiet der Achtsamkeitsforschung. Langer, die im Jahr 1981 als erste Frau eine feste Professur an der Psychologischen Fakultät in Harvard erhielt, vertritt die These, dass eine Neuausrichtung der Perspektive auf alltägliche Gegebenheiten das übermäßige emotionale Echo drastisch mindern kann.
In einem kürzlich geführten Gespräch mit Mel Robbins brachte Langer ihre Haltung prägnant auf den Punkt: „Nicht die Ereignisse selbst verursachen Stress; Stress wird dadurch verursacht, wie wir sie betrachten.“ Sie beobachtet, dass viele Menschen dazu neigen, geringfügige Widrigkeiten des Alltags, etwa ein misslungenes Abendessen oder einen kleinen Verkehrsunfall, zu einer ausgewachsenen persönlichen Katastrophe aufzubauschen. Die Psychologin betont, dass für die Entstehung von Stress zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: die Gewissheit, dass etwas Unerwünschtes eintreten wird, und die feste Überzeugung, dass dieses Ergebnis katastrophale Ausmaße annimmt. Eine bewusste Neubewertung dieser Augenblicke und ihre Einordnung in einen angemessenen Rahmen ermöglicht es, ein erhebliches Maß an unnötiger Beunruhigung freizusetzen.
Langer schlägt eine wirksame Methode vor, um diesen „katastrophalen“ Gedankengängen entgegenzuwirken: Man muss sie aktiv hinterfragen, indem man drei oder vier stichhaltige Argumente dafür findet, dass das befürchtete schlimme Szenario möglicherweise gar nicht eintritt. Dieser Prozess der inneren Überprüfung lockert augenblicklich den Griff der Anspannung. Er basiert auf der Einsicht, dass unsere inneren Erzählungen unsere emotionalen Reaktionen unmittelbar prägen. Wahre Achtsamkeit besteht laut Langer nicht darin, Gedanken zu unterdrücken, sondern sie unvoreingenommen zu beobachten. Sie fordert dazu auf, Sorgen in eine lebendige Neugier umzuwandeln, indem man sich fragt: „Angenommen, es ist passiert. Welchen tatsächlichen Vorteil könnte mir das bringen?“
Langers Studien zur Verbindung von Körper und Geist belegen eindrücklich die Macht der psychologischen Einstellung. In einem ihrer bekanntesten Experimente mit Zimmermädchen wurden die Teilnehmerinnen gebeten, ihre anstrengende körperliche Arbeit als vollwertiges Training zu betrachten. Daraufhin verbesserte sich ihr subjektives Gesundheitsempfinden, obwohl sich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen nicht verändert hatten. Dies bestätigt die Fähigkeit der psychologischen Haltung, die Physiologie zu beeinflussen. Ebenso stellte Langer bei der Arbeit mit chronisch kranken Patienten fest, dass die Symptome schwanken, selbst wenn die Patienten nur eine Verschlechterung wahrnehmen. Indem sie die Patienten anwies, ihren Zustand regelmäßig zu bewerten und mit dem vorherigen Zeitpunkt zu vergleichen, vermittelte sie ihnen ein Gefühl der Kontrolle. Dies zeigte die Variabilität ihres Zustands auf und steigerte das allgemeine Wohlbefinden.
Dieser Vorgang der kontinuierlichen, bedachten Analyse fördert die geistige Flexibilität und stimuliert adaptive Reaktionen auf sich wandelnde Umstände. Darüber hinaus verdeutlichen Langers Experimente, darunter die berühmte „Gegen-den-Uhrzeigersinn“-Studie (Counterclockwise), bei der ältere Männer gesundheitliche Verbesserungen zeigten, indem sie sich einfach so verhielten, als wären sie zwanzig Jahre jünger, dass unser innerer Zustand nicht lediglich eine Reaktion, sondern ein aktiver, schöpferischer Prozess ist. In der heutigen Welt, die von Informationsflut und Ungewissheit geprägt ist, eröffnet uns die Fähigkeit, Neues wahrzunehmen und die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten – so Langer – weitaus mehr Möglichkeiten, als wir uns vorstellen können.