Quantenprinzipien als Schlüssel zum Verständnis neuronaler Vorgänge im Gehirn

Bearbeitet von: Irena I

Die traditionelle Neurowissenschaft betrachtet das Gehirn als ein komplexes elektrisches System, in dem neuronale Signale durch Ionenströme und scheinbar ungeordnete Entladungen entstehen. Diese als „neuronaler Rausch“ bezeichneten Schwankungen wurden oft als störende Artefakte abgetan. Eine wachsende Zahl von Forschern stellt diese Annahme jedoch in Frage und schlägt eine radikal neue Perspektive vor: Könnte dieser Rausch nicht nur Informationen stören, sondern im Gegenteil dem Gehirn eine unerwartete Kohärenz verleihen, ähnlich den Prinzipien der Quantenmechanik?

In einer wegweisenden Studie, veröffentlicht im *Computational and Structural Biotechnology Journal*, haben der theoretische Physiker Partha Ghose und der Neurowissenschaftler Dimitris Pinotsis dargelegt, wie klassische Gleichungen, die neuronale Aktivität beschreiben, in eine Form der Schrödinger-Gleichung umgewandelt werden können – eine fundamentale Gleichung der Quantenphysik. Dies eröffnet die faszinierende Möglichkeit, dass das Gehirn, zumindest teilweise, nach quantenmechanischen Prinzipien operiert. Der neuronale Rausch, der aus verschiedenen Quellen wie Ionenkanalöffnungen oder synaptischen Veränderungen resultiert, könnte mehr sein als nur zufällige Fluktuationen. Inspiriert von Arbeiten aus den 1960er Jahren, die zeigten, dass zufällige Bewegungen, ähnlich der Brown'schen Bewegung, durch quantenmechanische Gleichungen beschrieben werden können, legen Ghose und Pinotsis nahe, dass neuronales Rauschen tiefere Strukturen birgt, die Wahrscheinlichkeitswellen ähneln. Dies bedeutet, dass die elektrischen Schwankungen im Gehirn Muster der Kohärenz enthalten könnten, eine Ordnung, die aus dem scheinbar Chaotischen entsteht.

Um diese Hypothese zu untermauern, nutzten die Forscher ein mathematisches Modell eines zufälligen Gangs mit Drift. Dieses Modell, das die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass ein Neuron eine Schwelle für eine elektrische Entladung erreicht, lieferte eine Gleichung, die der Schrödinger-Gleichung verblüffend ähnlich ist. Diese Formulierung stimmt mit experimentellen Daten über Potenzialschwankungen in realen Neuronen überein und deutet darauf hin, dass neuronale Aktivität als eine Art Quantenwelle beschrieben werden kann, bei der das Membranpotenzial nicht einen festen Wert hat, sondern eine Bandbreite von Wahrscheinlichkeiten aufweist. Dies impliziert nicht, dass das Gehirn ein winziger Quantencomputer ist, sondern dass seine Prozesse quantenmechanische Charakteristika aufweisen können, die man bisher für unmöglich in einem biologischen System dieser Größenordnung hielt. Selbst das weit verbreitete FitzHugh-Nagumo-Modell, eine Vereinfachung zur Beschreibung neuronaler Spikes, kann durch die Einbeziehung von Rauschen in quantenmechanische Gleichungen umformuliert werden.

Die Theorie schlägt die Einführung einer „neuronalen Konstante“ vor, analog zu Plancks Konstante in der Quantenphysik. Diese Konstante könnte Aufschluss darüber geben, warum das Gehirn nie zweimal exakt gleich auf denselben Reiz reagiert und könnte experimentell messbar gemacht werden, beispielsweise durch die Analyse von elektrischen Oszillationen unterhalb der Entladungsschwelle. Die Implikationen dieser theoretischen Arbeit reichen weit über die reine Mathematik hinaus. Sie bietet einen potenziellen Rahmen, um Ideen wie die von Roger Penrose und Stuart Hameroff zur Rolle von Quantenkohärenz in Mikrotubuli bei Bewusstseinsprozessen näher an eine experimentelle Überprüfung zu bringen. Praktische Anwendungen könnten sich in Bereichen wie der neuronalen Plastizität, also der Fähigkeit des Gehirns zu lernen und sich anzupassen, oder im Verständnis neurologischer Erkrankungen und der Wirkung von Anästhetika zeigen.

Die Forschung deutet darauf hin, dass Phänomene wie die synaptische Plastizität, die für Lernen und Gedächtnis entscheidend ist, quantenmechanische Komponenten aufweisen könnten. Auch die Erklärung bestimmter Hirnschwingungsmuster, die mit neurologischen Störungen assoziiert sind, könnte von dieser Perspektive profitieren. Wenn die Theorie bestätigt wird, könnte sie einen neuen Weg zum Verständnis von Störungen wie Epilepsie und der Wirkung von Anästhetika bieten, indem sie das elektrische Verhalten von Neuronen mit Quantenprinzipien verbindet. Obwohl diese Erkenntnisse noch theoretischer Natur sind, fordern sie eine Neubewertung unseres Verständnisses der Gehirnfunktion. Die Grenze zwischen dem Biologischen und dem Quantenhaften könnte nicht allein durch die mikroskopische Skala bestimmt sein, sondern durch die Fähigkeit, verborgene Muster im Rauschen zu erkennen. Die Herausforderung liegt nun darin, diese theoretischen Konzepte in experimentelle Designs zu übersetzen, die präzise Messungen kleinster elektrischer Fluktuationen ermöglichen. Sollten experimentelle Tests Vorhersagen wie die Existenz diskreter Energieniveaus oder kohärenter Quantenzustände bestätigen, würde dies die Tür zu einem tieferen Verständnis des menschlichen Geistes öffnen und die Verbindung zwischen fundamentaler Physik und bewusster Erfahrung stärken.

Quellen

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