Wissenschaftler schlagen Alarm: Die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), ein entscheidendes System von Meeresströmungen, das als „globales Förderband“ fungiert, nähert sich einem kritischen Wendepunkt. Neue Forschungen, veröffentlicht im Journal of Geophysical Research: Oceans, deuten darauf hin, dass die AMOC bereits im Jahr 2055 einen Zusammenbruch erleiden könnte, insbesondere unter Szenarien mit hohen Emissionen. Diese Entwicklung birgt das Potenzial für weitreichende globale Klimaveränderungen.
Die aktuelle Studie stützt sich auf 25 Klimamodelle und identifizierte einen neuen Indikator, den Oberflächen-Buoyancy-Fluss. Dieser ist seit 2020 angestiegen, was auf eine Abschwächung der AMOC hindeutet. Frühere Forschungen zeigten bereits, dass die AMOC sich auf ihrem schwächsten Stand seit mindestens 1.600 Jahren befindet und seit dem Jahr 400 n. Chr. um 15 % abgeschwächt hat. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist der vom Menschen verursachte Klimawandel, insbesondere das Schmelzen des arktischen Eises.
Die Auswirkungen eines solchen Zusammenbruchs wären gravierend. Europa könnte mit deutlich kälteren Temperaturen und vermehrten Stürmen konfrontiert werden. Die Ostküste Nordamerikas müsste mit einem höheren Meeresspiegelanstieg rechnen, und auch die Monsunsysteme in Asien und Afrika könnten gestört werden. Experten wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bezeichnen die neuen Ergebnisse als „ziemlich schockierend“. Er betont, dass selbst eine 10%ige Chance auf einen AMOC-Kollaps zu hoch sei und der Kipppunkt wahrscheinlich in den nächsten 10 bis 20 Jahren erreicht wird.
Das einströmende Süßwasser aus schmelzendem Eis verdünnt das salzhaltigere Nordatlantikwasser, macht es leichter und verlangsamt dadurch das Absinken des Wassers in der Tiefe – ein Prozess, der die AMOC antreibt. Diese Verlangsamung reduziert auch die Aufnahme von Kohlendioxid durch die Ozeane, was die globale Erwärmung weiter beschleunigt. Die Europäische Kommissarin Wopke Hoekstra bezeichnete die Ergebnisse als „ernsthaften Weckruf für das Klima“ und unterstrich die Dringlichkeit von Emissionssenkungen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft warnt, dass ein solcher Kollaps „um jeden Preis“ vermieden werden muss.
Selbst unter einem moderaten Emissionsszenario, das eine Erwärmung von etwa 2,7 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau vorsieht, könnte die AMOC laut Studie bis 2063 zusammenbrechen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit dringender Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, um katastrophale Klimaveränderungen abzuwenden.