Wann entsteht die Geschlechterlücke in Mathematik?
Internationale Studien zeigen, dass Jungen und Mädchen vor der Einschulung ähnliche Rechenfähigkeiten besitzen. Laut einem OECD-Bericht entsteht und weitet sich jedoch eine Lücke in den mathematischen Fähigkeiten, die von kulturellen Faktoren und Testbedingungen beeinflusst wird.
Eine in Nature veröffentlichte Studie unter der Leitung der Neurowissenschaftlerin Pauline Martinot zeigt, dass Frankreich am Ende der Grundschule die größte Geschlechterdiskrepanz in Mathematik und Naturwissenschaften innerhalb der EU aufweist. Diese Lücke neigt dazu, sich im Laufe der höheren Bildung zu vergrößern.
Die Forschung, die auf Daten von EvalAide basiert, untersuchte fast drei Millionen Kinder in der Grundschule. Sie ergab, dass sich bereits vier Monate nach Beginn der Grundschule eine deutliche, statistisch signifikante Lücke zugunsten der Jungen abzeichnet. Dies deutet darauf hin, dass das Problem nicht angeboren ist, sondern sich früh im Bildungsprozess entwickelt.
Die Studie ergab, dass Jungen und Mädchen zu Beginn der Grundschule in Mathematiktests ähnlich abschneiden, Jungen aber bereits nach wenigen Monaten besser abschneiden. Nach einem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass Jungen zu den besten 5 % der Mathematikschüler gehören, mehr als doppelt so hoch.
Die Studie, die von dem Neurowissenschaftler Stanislas Dehaene und dem Bildungsprofessor Pascal Bressoux betreut wurde, räumt ein, dass die Daten die Ursache der Geschlechterlücke nicht aufzeigen können. Sie legt jedoch nahe, dass Faktoren wie Mathematikangst, insbesondere in einem wettbewerbsorientierten Testumfeld, zu der Ungleichheit beitragen können. Die Studie weist auch darauf hin, dass die Vorurteile der Eltern und der formale Charakter des Mathematikunterrichts in den frühen Klassen eine Rolle spielen könnten.
Die Studie legt nahe, dass die Lehrerausbildung, die sich auf die gleiche Aufmerksamkeit für beide Geschlechter konzentriert und das Selbstvertrauen und das Interesse der Lehrer an Mathematik stärkt, dazu beitragen könnte, das Problem zu mildern. Die Tatsache, dass über 80 % der Grundschullehrerinnen Frauen sind, oft mit literarischem Hintergrund, wird ebenfalls als potenzieller Faktor genannt.